Ahlen (at). Furioser hätte der Auftakt kaum sein können. Gleich zu Beginn machten die vier Herren aus Prag am Donnerstag in Ahlen deutlich, wohin die musikalische Reise gehen wird. Kaum waren die zahlreichen Jazzfreunde im Las Tapas mit „Next Day“ eingegroovt, da legte das Milan-Svoboda-Quartett mit der Fusion-Nummer „Bluff“ nach und beschwor den heissen Funk der 1960er- und 1970er-Jahre, ehe die melancholische Ballade „Autumn“ den Puls beruhigte und zehn Minuten Zeit zum Durchschnaufen liess.
All diese Titel stammen vom Namensgeber des Quartetts. Milan Svoboda, 1951 in Prag geboren, zählt zu den ganz grossen tschechischen Jazzpianisten mit internationalem Renommee. Genau wie er haben auch seine drei Mitstreiter ein fundiertes klassisches Musikstudium absolviert. Milan Krajic (Saxophon), Filip Spaleny (Bass) und Ivan Audes (Schlagzeug) verstehen es meisterlich, den spannenden Silmix aus Modern Jazz und Meinstream homogen zu inszenieren. Das Ensemble ist so perfekt eingespielt, dass es selbst trickreiche Rhythmen uns Metren in entspannter Souveränität exakt und präzise angeht. Dazu passt die leicht zurückgelehnte Sitzhaltung Milan Svobodas, die auch bei den temporeichsten Keyboard-Kaskaden wie in „Hot Coffee“ von eleganter Lässigkeit zeugt.
Kein Zweifel, bei diesem Quartett handelt es sich um eine Ausnahmeformation. Wer so unterschiedliche Facetten des Jazz letztendlich in den klassischen Swing zu integrieren weiss, der bereichert das gesamte Genre um höchst innovative Nuancen. Und wann hat man schon mal die Gelegenheit, eine Reggae-angehauchte Version des Standard-Dauerbrenners „Body & Soul“ zu hören? Ähnlich originell nimmt sich Eigenkomposition „Conversation“ aus, eine Art Jazzwalzer, den Schlagzeuger Ivan Audes in unnachahmlicher Manier geradezu zerlegt und neu zusammenfügt. Die fulminanten Soli von Milan Krajic und Filip Spaleny sind ein zusätziches Geschenk. Mit „Moment´s Notice“ verneigt sich Milan Svoboda vor der Jazz-Ikone John Coltrane. Das Publikum in Las Tapas verneigte sich vor dem Milan Svoboda Quartett und das völlig zu Recht.
Dieses war der dritte Streich von „Get Jazzed“ nach Greg Gaynair und Ondrej Stveracek. Auf den vierten müssen die Jazzfreunde allerdings bis zum 29. März 2012 warten. Dann kommt mit Sub.Vision ein weiteres Jazzhighlight in die Wersestadt.
Rudolf Gieser, Die Glocke - Ahlen